Trauer um Prof. Walter Deutsch (29. April 1923 - 13. Jänner 2025)

erstellt am 13.01.2025

Walter Deutsch war als Musiker, Komponist und Musikwissenschaftler eine prägende Figur der österreichischen Volksmusik.

Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Südtirol, erlernte dort das Friseurhandwerk und wurde durch seinen Vater in die Musik eingeführt. Nach Umsiedlung der Familie ins „Großdeutsche Reich“ wurde er zur Wehrmacht eingezogen und als Soldat nach Nordafrika geschickt, wo er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach seiner Rückkehr studierte der junge Walter Deutsch zunächst am Konservatorium in Innsbruck, danach an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien Komposition bei Alfred Uhl und Dirigieren bei Hans Swarowsky. Seine Karriere begann er als freischaffender Komponist und Ballettkorrepetitor an der Wiener Volksoper.

1965 gründete er das Institut für Volksmusikforschung (aktuell: Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie) an der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, das er bis 1993 leitete. Von 1992 bis 1999 war er Präsident des Österreichischen Volksliedwerkes, danach Ehrenpräsident.

Deutsch führte zahlreiche Seminare und Feldforschungen durch und dokumentierte so Volksmusik in verschiedenen österreichischen Regionen und in Südtirol. Viele kostbare Bild- und Tondokumente entstanden. Seine Forschungsergebnisse publizierte er sowohl in Notenheften für die Praxis, in Audioproduktionen als auch in wissenschaftlichen Fachbüchern. Einen Höhepunkt seiner Publikationstätigkeit bildet die Herausgabe der Reihe Corpus Musicae Popularis Austriacae (COMPA), einer umfassenden Dokumentation österreichischer Volksmusik, die derzeit 23 Bände umfasst. Als Komponist schuf er Bühnen- und Ballettmusik, Tänze, Märsche, Klavier- und Kammermusik, Kantaten, Lieder nach Gedichten von E. Breisach und Franz Rieger, Wienerlieder und Volksliedhaftes.

Durch die Konzeption und Moderation von Radio- und Fernsehsendungen trug Walter Deutsch zudem maßgeblich zur Popularisierung von Volksmusik in Österreich bei. Seinem vielfältigen Wirken ist es zu verdanken, dass dieses wertvolle Kulturerbe für nachfolgende Generationen festgehalten ist. 2023 erhielt er für sein Schaffen das „Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“. 2022 übergab er seine umfangreiche Sammlung an das Österreichische Volksliedwerk, wo sie seit diesem Zeitpunkt schrittweise ins Archiv eingegliedert wird und somit der interessierten und forschenden Öffentlichkeit zur Verfügung steht. 

(Mag. Irene Egger, Geschäftsführung Österreichisches Volksliedwerk)
 

Die Bedeutung des Walter Deutsch für das Salzburger Volksliedwerk

Für Salzburg spielte Walter Deutsch eine prägende Rolle – nachdem der einstige, noch in der Monarchie gegründete „Arbeitsausschuss für das Volkslied“ im Jahr 1973 als „Salzburger Volksliedwerk“ neu gegründet wurde war er es, der schon kurze Zeit später mit Studierenden seines jungen Instituts für Volksmusikforschung in den Lungau kam und dort umfangreiche musikalische Feldforschungen durchführte. Kurze Zeit später folgte der Flachgau – mit diesen ersten umfangreicheren Volksmusikforschungen im Salzburger Raum seit Mitte der 1920er-Jahre hat uns Walter Deutsch wesentliche Grundpfeiler des heutigen Salzburger Volksliedarchivs geschaffen.

Dass das Archiv des Salzburger Volksliedwerkes heute überhaupt Dokumente aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg enthält, ist ebenfalls Walter Deutsch zu verdanken. Er hat die Bestände dieser noch aus der Monarchie stammenden Volksliedsammlung aus dem Nachlass des früheren Salzburger Archivars Otto Eberhard (1875–1960) im Sommer 1961 vom (nominell verantwortlichen) Landesschulrat übernommen, gereinigt und grob geordnet. Zwei Jahre später schließlich stand er dem Komponisten und nunmehrigen Archivar des Salzburger Volksliedwerkes, Wilhelm Keller (1920–2008), bei der Neuordnung der Bestände mit Rat und Tat zur Seite.

Seine Verbundenheit mit Salzburg reicht bis weit in die Zeit seiner Pensionierung hinein. In den Jahren 2000 und 2008 regte er zwei Salzburger Bände der oben erwähnten Reihe COMPA an und leistete dafür maßgebliche editorische Arbeit. Noch 2016 war er Referent unseres prägenden Salzburger Volksmusiksymposions Schichten – Strömungen – Spannungsfelder auf Burg Hohenwerfen und beeindruckte das Auditorium mit seinen detaillierten Ausführungen zu Melodie- und Instrumentalformen, die er teils unter Zuhilfenahme von Schenker-Analyse präzisierte. 2021 schließlich hat er dem Archiv des Salzburger Volksliedwerkes eine Sammlung privater Feldforschungen aus dem Großarltal übergeben, die er Anfang der 1960er-Jahre durchgeführt, aber nie publiziert hatte.

Wohl allen, die ihn kannten, wird er in lebhafter und prägender Erinnerung bleiben – seine fundierte, dabei lebendige, emotionale und oft auch durchaus streitbare Art über Volksmusik zu sprechen war einzigartig. Einen riesigen Fundus an Erforschtem, zu-Beforschendem, an Ton, Klang, Schriften und (Noten-)Bildern hat er uns hinterlassen. Requiescat in pace!

(Dr. Wolfgang Dreier-Andres, Archivleitung Salzburger Volksliedwerk)

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